Presseerklärung der LAG zu Streichungen einengender Maßnahmen im Kommunalrecht

PRESSEERKLÄRUNG
 
zu den vom Innenministerium vorgeschlagenen Regelungen bzgl. der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in den vorgelegten „Eckpunkten zur Weiterentwicklung des Kommunalverfassungsrechts“
 
Laut „Eckpunkte zur Weiterentwicklung des Kommunalverfassungsrechtes, Stand 21.9.2010“ soll auf Regelungen zu hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und zu den Beiräten in der GO zukünftig verzichtet werden.
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist bereits im Grundgesetz verankert. Dennoch müssen wir feststellen, dass nach über 50 Jahren, die gesellschaftlichen Realitäten dem verfassungsrechtlichen Anspruch keinesfalls entsprechen.
Nicht zuletzt deshalb wurde in Schleswig-Holstein neben anderen Maßnahmen den Kommunen die Verpflichtung auferlegt, kommunale Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen, ab 15.000 EinwohnerInnen hauptamtlich. Versuche von kommunaler Seite, diese Verpflichtung als nicht verfassungskonform zu verhindern, scheiterten. Im Gegenteil, das Verfassungsgericht bestätigte die Zulässigkeit einer solchen Verpflichtung und stellte klar, dass diese keinen unzulässigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung darstellen.
Die LAG sieht nicht die Notwendigkeit oder auch nur eine faktische Grundlage, diese Verpflichtung der Kommunen aufzuheben.
Gerade in Zeiten knapper Finanzen, in denen freiwillige Leistungen der Kommunen auf den Prüfstand stehen, Leistungen eingeschränkt und umstrukturiert werden, ist gleichstellungspolitischer Sachverstand in den Kommunen notwendiger denn je. Zudem wäre das Einsparpotenzial auf Seiten der Kommunen minimal, da die Ausgaben für die Gleichstellungsbeauftragten sich im Promillebereich der kommunalen Haushalte bewegen.
Mit der beabsichtigen Änderung will die Landesregierung den Entscheidungsspielraum der Kommunen erweitern. Kommunen sollen zukünftig selbst entscheiden können, ob sie dem gesetzlichen Gleichstellungsauftrag
nachkommen wollen. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre und der gegenwärtigen finanziellen Situation der Kommunen befürchten wir, dass die hauptamtliche kommunale Gleichstellungsarbeit zukünftig durch ehrenamtliche ersetzt wird. Eine kontinuierliche professionelle Arbeit wird dadurch abhängig von wechselnden politischen Mehrheiten.
Gleichstellungspolitik und die Umsetzung der damit verbundenen strategischen Handlungsziele sind politisch gewollt und haben sich in mehr als 20 Jahren der Existenz und Arbeit von hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten (in einer größeren Anzahl von Kommunen und Kreisen wurde die Funktion bereits vor der gesetzlichen Grundlage dafür eingerichtet!) mehr als bewährt. Dies zeigen
insbesondere die Wiederbesetzungen dieser Stellen in Kommunen mit unter 15.000 EinwohnerInnen, die nach Änderung der GO im Jahr 2006 keine Verpflichtung zur Bestellung einer hauptamtlichen kommunalen GB mehr hatten.
Die Effektivität der Arbeit der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten und ggf. MitarbeiterInnen wird
in den meisten Kommunen nicht angezweifelt und hat sich bewährt; die Umsetzung des Gesetzes zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst (GstG) ist ohne Gleichstellungsbeauftragte zudem nicht zu gewährleisten.
Die Beteiligung und Involvierung bei der politischen Meinungsbildung entsprechend §2 Absatz 3 (GO), Satz 3 und 4: (…) „Die Hauptsatzung soll im Übrigen bestimmen, dass die Gleichstellungsbeauftragte in Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig ist und an den Sitzungen der Gemeindevertretung und der Ausschüsse teilnehmen kann. Ihr ist in Angelegenheiten ihres Aufgabenbereichs auf Wunsch das Wort zu erteilen.“ wird sowohl von Seiten der Verwaltung als auch von Seiten der KommunalpolitikerInnen vieler Orten geschätzt: bereits im Vorwege von Entscheidungen wird das fachliche Wissen und die Kompetenz
der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zu unterschiedlichen Themenfeldern erfragt.
Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass Rechtsgrundsätze ebenso wie politische Entscheidungen sich auf verschiedene Lebenswirklichkeiten unterschiedlich auswirken. Die Alltagsrealitäten von Frauen und Männern unterscheiden sich immer noch in ganz zentralen Bereichen1.
Dies macht deutlich, dass eine rein juristische Betrachtung der Gleichstellungspolitik zu kurz greift. Vielmehr sind - nach wie vor bestehende - strukturelle gesellschaftspolitische Ungleichheiten zu überwinden. Hierfür sind die vielfältigen Veranstaltungen, Vernetzungen und Initiierung von effektiven gleichstellungspolitischen Maßnahmen mit regionaler und lokaler Kenntnis der Strukturen und Gegebenheiten durch die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten wesentliche Voraussetzung. Die Realisierung einer Vielzahl bundes- und auch landesweiter Initiativen, Kampagnen und Projekten wäre ohne die Einbindung der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten nicht denkbar.
Würde die verpflichtende Bestellung von hauptamtlichen kommunalen  Gleichstellungsbeauftragten für die Kommunen wegfallen, würde Schleswig-Holstein in Sachen Gleichstellungspolitik im Vergleich zu allen anderen Bundesländern von heute auf morgen zum gleichstellungspolitischen Entwicklungsland in Deutschland. Denn in keinem anderen Bundesland wird die Funktion von hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten völlig in das Belieben der Kommunen gestellt.
Alle Kommunen und Landkreise Schleswig-Holsteins kämen zudem in „Verteidigungsnot“ gegenüber dem Innenministerium, wenn sie die oben beschriebene Notwendigkeit der Funktion für ihre Kommune sähen und weiterhin realisierten – das Innenministerium gleichzeitig aber den Haushalt genehmigen muss.
 
Hauptamtliche kommunale Gleichstellungsbeauftragte als effektives Instrument zur Umsetzung des o.a. grundgesetzlich verpflichtenden Auftrages haben sich in ganz Schleswig-Holstein bewährt und dürfen nicht zur Beliebigkeit werden, deshalb halten wir die Regelung in §2 GO nach wie vor für notwendig und sinnvoll.
 
 
gez. Verena Balve 
gez. Elke Sasse

1 z.B.: ungleiche Bezahlung/Entlohnung für gleichwertige Arbeit. Frauen verdienen durchschnittlich 23% weniger für vergleichbare Tätigkeiten als ihre Kollegen; ungleiche wirtschaftliche Eigenständigkeit. Frauen sind mehrheitlich auf die Bereiche des Arbeitsmarktes verwiesen, mit denen sich (z.B. durch Minijobs und geringfügige Beschäftigung) keine unabhängige Existenz begründen lässt - zu verweisen ist hier auf den großen Anteil von Alleinerziehenden, die bei Teilzeitarbeit oder sogar Vollbeschäftigung auf ergänzende Leistungen nach SGBII angewiesen sind; ungleiche finanzielle Altersabsicherung.
Resultierend aus der nicht Existenz sichernden Erwerbstätigkeit sind Frauen insbesondere auch im Alter auf
Grundsicherung angewiesen; ungleiche Verantwortlichkeit für die Familie: fast ausschließlich Frauen müssen sich der Herausforderung der mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellen. Sie sind vielfach gezwungen, Teilzeitarbeit anzunehmen und erleben damit eine zwangsläufige Unterbrechung ihrer beruflichen Weiterentwicklung oder Verhinderung einer Berufskarriere. Noch immer fehlt es in den Wirtschaftsunternehmen an dringend gebotener familienfreundlicher Personalpolitik - auch für Männer!; überproportionale Betroffenheit der Frauen von männlicher Gewalt: Jede vierte Frau hat im häuslichen Umfeld männliche Gewalt erfahren; ungleiche Repräsentanz in politischen Parteien, Vorständen und Aufsichtsräten; tradierte Geschlechterstereotypen in vielfältigen Gesellschaftsbereichen, z.B. bei der Berufswahl von Jugendlichen, in Wirtschaft, Politik, Bildung und Kultur etc.

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