Pressemitteilung der Regionalgrupp Süd-Ost zum 100. Frauentag

 Pressemitteilung zum 100. Internationalen Frauentag am 8. März 2011
 
Am 08. März 2011 begehen Frauen weltweit zum 100. Mal den Internationalen Frauentag.
Daran erinnern Gleichstellungsbeauftragte und Frauenorganisationen mit zahlreichen Veranstaltungen.
 
Für die Regionalgruppe der kommunalen hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten aus den Kreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg, Ostholstein und der Stadt Lübeck werfen Marion Gurlit (Bad Oldesloe), Elke Hagenah (Kreis Herzogtum Lauenburg) und Gudrun Dietrich (Stadt Eutin) einen Blick auf die damaligen Forderungen und das heute Erreichte:
 
Vor über 100 Jahren wurden in Europa und den USA Forderungen der Frauen nach besseren Arbeitsbedingungen und mehr politischer Teilhabe immer lauter. Daraus entwickelte sich der Internationale Frauentag, der 1911 erstmalig im Deutschen Reich, Österreich, Dänemark und der Schweiz begangen wurde.
 
Zentrale Forderungen waren das Frauenwahlrecht und die soziale und politische Gleichbehandlung von Frauen, z.B. „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
 
Für die Umsetzung dieser Forderungen demonstrierten 1911 im Deutschen Reich eine Million Frauen – die erste große öffentliche Massenbewegung.
Nach der Novemberrevolution 1918 wurde mit Ausrufung der Weimarer Republik auch das Frauenwahlrecht eingeführt. An der ersten Wahl im Jahr 1919 beteiligten sich 82% aller wahlberechtigten Frauen, im 1. Deutschen Reichstag agierten 37 weibliche Abgeordnete (8%). Schon bei der 2. Reichstagswahl im Jahr 1924, nachdem die Männer wieder aus dem Krieg an ihre „angestammten“ Positionen zurückgekehrt waren, lag die Zahl der weiblichen Abgeordneten nur noch bei 5,3% .
 
Einige der damals zentralen Forderungen sind 100 Jahre später immer noch nicht erreicht, andere bekamen erst allmählich eine gesetzliche Verankerung.
 
So brachte allein das Wahlrecht den Frauen noch keine wirkliche Gleichberechtigung, denn es fehlte die gesetzliche Grundlage.
 
Erst 1949 wird in Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes endlich festgestellt, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Doch die konkrete Umsetzung dauerte.
 
Im Jahr 1958 wird beispielsweise das „Alleinentscheidungsrecht des Ehemannes“ gestrichen, das heißt, bis dahin durfte er das Arbeitsverhältnis seiner Frau kündigen. Ein Jahr später konnten Frauen auch über ihr eigenes in die Ehe eingebrachtes Vermögen verfügen.
Zahlreiche Neuerungen gab es dann in den 1970-er Jahren, beispielsweise die Reformierung des Scheidungsrechts mit der Abschaffung des „Schuldprinzips“.
Auch die Reformierung bzw. Abschaffung des § 218 (Schwangerschaftsabbruch) war von Anfang an eine zentrale Forderung der Frauenbewegung. Im Jahre 1992 wurde schließlich die Fristenlösung im Deutschen Bundestag als kleinster gemeinsamer Nenner verabschiedet.
1980 wurde die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz im BGB festgeschrieben, ebenso das Recht auf gleiches Entgelt. 1993 wurde der Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ um den Satz „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung von Nachteilen hin.“ ergänzt.
 
 
Ist jetzt alles gut?
Nein, die Wirklichkeit sieht anders aus: Frauen verdienen für die gleiche Tätigkeit 23 % weniger als Männer. Die meisten Teilzeitarbeitsplätze haben Frauen inne, auch bei den 400-Euro-Jobs. In diesem Bereich ist Schleswig-Holstein bundesweit trauriger Spitzenreiter: knapp 24 % aller Arbeitsverhältnisse sind 400-Euro-Jobs und überwiegend in weiblicher Hand. Im Gegenzug dazu sind Führungsetagen noch immer überwiegend männlich geprägt: im Februar 2011 ermittelte die Lübecker Firma Databyte nach einer Auswertung von rund 1,1 Millionen Führungskräften in Deutschland, dass Frauen nur jeden sechsten Posten (17%) besetzen – und das angesichts der Tatsache, dass 50% aller Hochschulabsolventen Frauen sind.
Das hier Handlungsbedarf besteht, liegt klar auf der Hand.
 
Als ein Grundproblem in der gegenwärtigen Gesellschaft bezeichnen Gurlit, Hagenah und Dietrich die Tatsache, dass in Deutschland immer noch die familiären Pflichten den Frauen zugeschrieben werden. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Pflege und Kindererziehung sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben und als solche zu regeln und zu unterstützen. Dazu gehören auch Einrichtungen wie Frauenfachberatungsstellen aller Art.
 
Mit Sorge beobachten die Gleichstellungsbeauftragten, dass zurzeit in Schleswig-Holstein, dem Bundesland mit einst dem ersten Frauenministerium (1988), eine frauenpolitische Rolle rückwärts stattfindet. Im Sparpaket der Landesregierung stehen unter anderem Frauenhäuser, Frauenfachberatungsstellen, die Beratungsstellen „Frau und Beruf“, Mädchentreffs, Familienbildungsstätten und andere Frauenprojekte ganz oben an. Gespart werden soll bei denen, die ohnehin mit finanziell und personell äußerst knappen Ressourcen arbeiten müssen.
 
Die Folgen dieser unzureichenden Rahmenbedingungen und der geplanten Einsparungen bzw. der Zerschlagung effektiver Strukturen sind gefährlich und teuer für unser Land.
Das Sparpaket widerspricht zudem dem Verfassungsauftrag nach Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz.
 
Eine der zentralen Forderungen der Frauen, das allgemeine Wahlrecht, ist erfüllt.
 
Aber:
- Wo ist die gleiche Bezahlung?
- Wo ist die gute, an die Arbeitswelt angepasste Kinderbetreuung?
- Wo ist der Mindestlohn?
- Wo sind die Frauen in Führungsetagen, Aufsichtsräten und Parlamenten?
- Warum ist Altersarmut immer noch weiblich?
- Wann wird häusliche Gewalt zum Männerproblem?
 
Der Internationale Frauentag ist auch nach 100 Jahren immer noch aktuell und wichtig für Deutschland!
 
Für die Regionalgruppe der hauptamtlichem kommunalen Gleichstellungsbeauftragten
aus den Kreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg, Ostholstein und der Hansestadt Lübeck:
Marion Gurlit, Gleichstellungsbeauftragte Stadt Bad Oldesloe
Elke Hagenah, Gleichstellungsbeauftragte Kreis Herzogtum Lauenburg
Gudrun Dietrich, Gleichstellungsbeauftragte Stadt Eutin
im Februar 2011

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