„Weibliche Flüchtlinge“ Gleichstellungsbeauftragte fordern Aktivitäten der Landesregierung
„Weibliche Flüchtlinge“ Gleichstellungsbeauftragte fordern Aktivitäten der Landesregierung
Zu einem fachlichen Austausch zum Thema „Weibliche Flüchtlinge“ hatten die hauptamtlichen kommu-nalen Gleichstellungsbeauftragten nach Neumünster eingeladen.
Das hohe Interesse an dem Thema wurde durch die große Zahl der Gäste deutlich: knapp 35 hauptamt-liche kommunale Gleichstellungsbeauftragte trafen auf mehr als 75 Gäste – nicht ausschließlich, aber überwiegend weiblich kamen diese aus Politik, Polizei, Hochschulen, Arbeitsagenturen, Flüchtlingsein-richtungen und auch aus den Ministerien der Landesregierung.
„Uns war und ist wichtig, das Thema ‚weibliche Flüchtlinge‘ endlich in den Fokus zu rücken. Natürlich konnte und musste es 2015 erst einmal darum gehen, auf die Vielzahl der Flüchtlinge zu reagieren und ihnen ‚ein Dach über dem Kopf‘ zu sichern. Aber nach der Krisensituation 2015 bedarf es jetzt einer Struktur, die auch die besondere Situation von weiblichen Flüchtlingen in den Blick nimmt“, fordert Elke Sasse, Gleichstellungsbeauftragte aus Lübeck und eine der LAG-Sprecherinnen.
Ca. 1/3 aller Flüchtlinge sind laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weiblich.
Gewalt, Terror, Hunger, Perspektivlosigkeit und politische oder religiös motivierte Verfolgung sind we-sentliche Gründe vieler Flüchtlinge, ihre Heimat zu verlassen.
Als Fluchtgründe für Frauen und Mädchen kommen geschlechtsspezifische Bedrohung und/oder sexu-eller Gewalt hinzu. Auf ihren Fluchtwegen waren die Frauen und Mädchen vergleichbaren Gefahren ausgesetzt.
Viele Frauen und Mädchen, die als Flüchtlinge in Deutschland um Asyl nachsuchen, sind demzufolge psychisch und physisch schwer belastet, manche traumatisiert. Die Realität, auf die sie in Erstaufnah-melagern und Gemeinschaftsunterkünften stoßen, setzt jedoch nicht selten einige dieser Gefahren fort.
Daher sei es dringend erforderlich, geflüchtete Frauen und ihre Kinder als besonders schutzbedürftige Personen anzuerkennen und ihnen durch ein spezifisches Unterstützungsangebot Rechnung zu tragen.
Krystyna Michalski vom „Paritätischen“ Schleswig-Holstein und Mitautorin der „Empfehlungen an ein Gewaltschutzkonzept zum Schutz von Frauen und Kindern vor geschlechtsspezifischer Gewalt in Ge-meinschaftsunterkünften“, Hrsg. vom Gesamtverband „Der Paritätische“ in Deutschland, stellt konkrete Handlungssätze vor.
„Das Land, aber auch die Kommunen müssen dafür sorgen, dass Frauen in Flüchtlingsunterkünften vor geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt werden. Dazu müssen beispielweise Gewaltschutzkonzepte und Hilfsangebote in den Unterkünften verpflichtend umgesetzt werden“, so Krystyna Michalski.
Wie dies praktisch vor Ort aussehen könnte, erläutert die Pinneberger Gleichstellungsbeauftragte Debo-rah Azzab-Robinson die gemeinsam mit der Pinneberger Flüchtlingskoordinatorin einen konkreten Vor-schlag für eine Unterkunft in Pinneberg entwickelt hat.
„Hauptamtliche kommunale Gleichstellungsbeauftragte müssen bei der Planung, Umsetzung und beim Controlling von Flüchtlingsunterkünften und Betreuungsangeboten von Anfang an aktiv beteiligt werden. Außerdem ist die Bildung einer fachbereichsübergreifenden und damit interdisziplinären Lenkungsgrup-pe in der Verwaltung unabdingbar.“
Für Neumünster kann die Gleichstellungsbeauftragte Heidi Basting ihre praktische Einbindung bestäti-gen: „Neumünster wird ab Oktober 2016 erstmalig zugewiesene Flüchtlinge unterbringen. Die Voraus-setzungen hierfür werden gerade geschaffen. Dazu ist eine Projektgruppe eingerichtet worden, in die die Gleichstellungsstelle jederzeit ihre frauenspezifischen Gesichtspunkte nachhaltig mit einbringen kann.“
Landesweit sei dies jedoch nicht selbstverständlich – und insbesondere auf Landesebene vermissen die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten den notwendigen sensiblen Blick auf die weiblichen Flüchtlinge.
Bereits im September 2015 hatten sie in einem Schreiben an den Ministerpräsidenten vorgeschlagen, Gewaltschutzkonzepte unter besonderer Berücksichtigung von sexueller Gewalt in den Gemeinschafts-unterkünften zu entwickeln und umzusetzen, einen landesweiten Runden Tisch „weibliche Flüchtlinge“ einzuberufen - um auf kurzem Weg alle notwendigen AkteurInnen und insbesondere die Frauenfachbe-ratungsstellen und Frauenhäuser vor Ort in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunter-künften einzubinden und gleiche Standards abzusichern.
„Es hat jedoch nicht nur uns gegenüber keine Reaktion gegeben, sondern insbesondere wissen wir von keinen Aktivitäten, die in diese Richtung gehen“, monieren die Gleichstellungsbeauftragten. In anderen Bundesländern, wie z.B. Niedersachsen oder NRW gäbe es bereits entsprechende Konzepte, die jetzt in die Umsetzung gingen.
Der schleswig-holsteinische Landtag hat zwar am 19.11.2015 mit großer Mehrheit einen gemeinsamen Antrag (Drucksache 18/3591) zum „Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften“ be-schlossen, es bleibe jedoch weiterhin unklar, was von Seiten der Landesregierung konkret geplant und umgesetzt werden soll.
Am Nachmittag im nichtöffentlichen Teil beraten die Gleichstellungsbeauftragten den Entwurf eines Po-sitionspapieres mit dem Titel „Frauen und ihre Kinder in Flüchtlingsunterkünften – Unterstützungsbedar-fe erkennen, Handlungsbedarfe entwickeln“. Hier finden sich konkrete Handlungsansätze zu den The-menfeldern Unterbringung, Gewaltschutz, gesundheitliche Versorgung, Aufenthaltserlaubnis, Beratung und Betreuung, Integration und Bildung und Erwerbstätigkeit für die kommunalen Gemeinschaftsunter-künfte, sowie die Erstaufnahmeeinrichtungen im Verantwortungsbereich des Landes.
„Wir hoffen, dass die Landesregierung diese Veranstaltung und unser an sie adressiertes Positionspa-pier als aktive Unterstützung und Anregung aufgreift und nutzt. Das vordringliche Ziel muss sein, die besondere Situation weiblicher Flüchtlinge endlich systematisch und strukturiert, sensibel und konse-quent anzugehen und mit konkreten Aktivitäten umzusetzen – gemeinsam mit den kommunalen Spit-zenverbänden, den zahlreichen Trägern, ehrenamtlichen HelferInnen, Frauenfacheinrichtungen und Flüchtlingsinitiativen“, so LAG-Sprecherin Sasse.
Für die LAG
Pressekontakt:
Geschäftsstelle der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Schleswig-Holstein
Birgit Pfennig
Walkerdamm1
24103 Kiel
Tel:. 0431/30034721
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